Jetzt lieg ich hier in meinem Schlafsack in einer fremden Stadt mit 7 fremden Leuten in einem Zimmer, der eine schnarcht der andere furzt. Alles in allem Klassenfahrtfeeling nur etwas, ein klitzekleines bischen, disziplinierter.. Ich bin todmüde..
Ganz schön komisch irgendwie. Man plant Wochen, nee Monate vorher eine Reise und wenn es dann endlich losgeht kommt es einem total plötzlich vor. Gestern hatte ich auf jeden Fall erst mal gar keine Lust mehr, so lange ganz alleine in den Urlaub zu fahren. Ich war müde, genervt und hätte gerne die Camino-Pläne spontan gegen 6 Wochen Sofa getauscht. Natürlich völliger Blödsinn, von dem ich schon vorher gewusst hätte, dass das nur 'ne Fehlentscheidung sein kann. Die Pläne wurden natürlich nicht über den Haufen geworfen und nachts um halb zwei ging es dann nach dem endgültigen Kofferpacken endlich los
Kofferpacken?!
Sonst pack ich Sachen im Überfluss ein. Die einzige Strecke die ich das in einem normalen Urlaub tragen muss, ist vom Gepäckband zum Bus und vom Bus ins Hotel. Das sind vielleicht 200 Meter, wenn
es hoch kommt. 20 Kilo für 14 Tage. Aber dieses mal heißt es Gewicht sparen. Denn alles was ich mitnehme muss ich selber tragen, jeden Tag, jeden Meter, 900 Kilometer, länger als einen Monat. Das
Resultat: 6 Kilo für 31 Tage. Das füllt den Rucksack (wer zieht schon freiwillig einen Koffer hinter sich her) nicht aus muss aber reichen!
In Ahlen sammeln wir noch schnell 'nen Mitfahrer ein. Malte, 21 Jahre alt, ganz offensichtlich nicht zufrieden mit seiner derzeitigen Situation will er mal den Kopf frei kriegen und etwas philosophieren. Gut soll er mal mitkommen dann bin ich nicht so alleine auf der Hinfahrt. Ob sich unsere Wege dann trennen oder wir uns hier und da nochmal sehen bleibt abzuwarten. Schön, dass wir genau dabei schon mal dieselbe Einstellung haben. Von der Fahrt zum Flughafen krieg ich nicht viel mit, ich bin todmüde und kann endlich mal die Augen zu machen. Am Flughafen gibt's dann ein endgültiges Tschüss! Jetzt gibt's kein Zurück mehr. Irgendwie ist mir dabei nicht ganz wohl. 6 Wochen ganz, ganz alleine? Vielleicht wird’s schrecklich? Auf jeden Fall kommt es mir in dieser Sekunde plötzlich viel zu lang vor. 3 Wochen hätten doch sicher auch gereicht. Beim zurückgucken bin ich ganz schön wehmütig. Das kenn ich überhaupt nicht von mir, aber einen 6 Wochen Urlaub ohne jemanden den ich kenne ist mir ja nun auch völlig neu. Der Flug dauert nicht lange und schwupps sind wir in Südfrankreich angekommen. Der kleine schnucklige Flughafen sorgt dafür, dass wir keine 15 Minuten nach der Landung mit Gepäck vor dem Flughafen stehen und schon 40 Minuten später sind wir am Bahnhof von Bayonne angekommen. Schnell werden Fahrkarten und 'ne Kleinigkeit zu essen gekauft und schon geht’s mit dem Zug weiter nach Saint-Jean-Pied-de-Port. Hier laufen wir erst mal den anderen Rucksäcken hinterher, um das Pilgerbüro zu finden. Ich brauch zwar nur 'nen Stempel aber ich brauch vor allen Dingen Beschäftigung, was soll ich schon hier in diesem Minidorf mit mir anfangen?!
Mir wird schnell geholfen, denn es sind 'ne ganze Menge mitteilungsbedürftiger Pilger vor Ort. Die Mitteilungs-bedürftigsten kommen natürlich aus Deutschland. Einige wollen unbedingt heute noch los. Es ist 13 Uhr mit 'ner Ankunft vor 8 Uhr abends ist an sich kaum zu rechnen. Ein Bayer ist dabei, der erst mal seine besserwisserischen Weisheiten auf die Menschheit prasseln lässt. Sportlich ist er auch und er will und wird sicher heute noch diverse Kilometer in Angriff nehmen. Definitiv nix für mich, schonmal gar nicht in der Gesellschaft. Ein auf Anhieb sympathischer Typ aus Süddeutschland steht mit in dem Pulk. Nach kurzer Beratung ist klar Malte und er bleiben heute auch in Saint-Jean und wir wollen zusammen mal erkunden, ob es einen Supermarkt gibt. Vorher machen wir alle aber 'nen kurzen Abstecher in die Herbergen, um die Rucksäcke loszuwerden. Dort erwarten mich schon die Hospitaleros und zeigen mir ihre schöne Alberge.
Alles sauber, alle freundlich, alles gut. Ne Einführung in die Bettwanzenthematik bekomme ich auch noch, damit ich mir in den nächsten Wochen zu helfen weiß. Danach geht’s in den Regen zu den beiden Herren der Schöpfung. Nach einiger Herumirrerei - es ist übrigens erstaunlich leer, das liegt aber vielleicht auch am Wasser von oben - finden wir sogar einen Supermarkt und kaufen uns erst mal die erste echte Mahlzeit des Tages: Baguette, Bananen, Salami, Käse, Kekse und Erdbeeren. Direkt auf dem Supermarktgelände suchen wir uns eine halbwegs trockene Ecke unter 'nem Baum und Essen erst mal. Das ganze gekaufte Zeug könnte man, selbst wenn man wollte, auch nicht in die Herberge tragen. Sascha hat kräftig zugeschlagen mal gucken ob er die Reste überhaupt über die Pyrenäen getragen kriegt. Sowieso macht er nicht den vorbereitetsten Eindruck und sorgt damit für diverse Lacher bei Malte und mir. Zum Trocknen setzen wir uns letztendlich noch in die Herberge von Malte und Sascha und haben bei schwarzem Tee noch nen richtig lustigen Nachmittag. Malte ist plötzlich verschwunden, vermutlich unbemerkt schon ins Bett. Mittlerweile ist es 18:45 und auch ich mach mich auf den Weg, denn ich werde um 19:30 zum Abendessen erwartet. Doch bevor es ans Essen geht werden erst mal alle Rituale eingehalten. Aperitif, Vorstellungsrunde, kurze Zeit des Schweigens, ganz schön esoterisch hier. Dann gibt's was zu Essen. Nichts wirklich besonderes, aber es schmeckt und macht satt..
Kommentar schreiben