Erste Aufbruchstimmung kommt schon gegen 6:45 Uhr auf. Thomas und Vincent sind diszipliniert, schnell fertig und zügig verschwunden. Oliver lässt sich bedeutend mehr Zeit und versucht uns aus dem Bett zu schmeißen. Es will ihm aber nicht so richtig gelingen und wir gammeln noch ein bischen vor uns hin. Camillia ist irgendwann auch fit also bleibt uns nichts anderes übrig als auch mal aufzustehen. Erstmal gehen wir in aller Ruhe frühstücken. Heute lassen wir es richtig krachen denn schließlich ist Wochenende und die Chefin des Hauses möchte uns gerne etwas Gutes tun. Spiegelei, Chorizo und Kartoffeln gibt es heute statt den üblichen spanischen Keksen mit ekliger Marmelade. Dazu natürlich erstmal nen Kaffee oder auch zwei.
In meinem Herbergsführer wird zu unserer Herberge geschrieben "Nur im Notfall wieder". Uns hat es hier aber richtig gut gefallen. Alles ist sauber, das Essen war lecker und die Hospitalera behandelt uns wie ihre eigenen Kinder, was sicherlich auch mit Camillas exzellentem Spanisch zu tun hat. Die mitunter von den Pilgern genervten Spanier die ich bisher gesehen habe, waren gleich viel weniger genervt und haben sich darüber gefreut wenn ich versucht habe mit ihnen auf Spanisch zu sprechen und nicht wie so viele andere vorausgesetzt habe, dass sie sicher auch Englisch verstehen. Als Ana (die Hostpitalera) hört, dass wir für Burgos noch keine Unterkunft haben hilft sie uns wo sie nur kann ein günstiges Zimmer für uns zu finden. Und nur wenige Minuten später haben wir eins. Erst um kurz nach 10 machen wir uns zu viert, heute beehrt uns Malte mit seiner Anwesenheit, auf den Weg und schleppen uns nach Atapuerca. Von da geht es auf einen kleinen Hügel hinauf.
Berge scheinen mir zu liegen. Ich gehe im Schnellschritt hoch und kann oben an einem Holzkreuz erstmal eine Pause einlegen, um auf die anderen zu warten. Gerade als ich anfange zu frieren kommen sie an und es kann weiter gehen. Zur Mittagspause halten wir in an einer Bar und trinken und essen das Übliche. Tortilla de patatas, cafe con leche und Orangensaft.
Im nächsten Dorf ist heute anscheinend ein Festtag. Es wird in traditioneller Tracht gesungen und getanzt. Wir gucken ein bischen zu bis Camilla uns zum Weitergehen antreibt. Die nächsten Kilometer lassen wir über uns ergehen. Es ist heiß und wir müssen auf einer schattenlosen Straße kilometerweit an einem Flugplatz entlang. Wir überqueren wir eine Autobahn die, wie so manches in Spanien, ziemlich verlassen wirkt. In einem Café erholen wir uns nochmal kurz bevor wir uns an das letzte und hässlichste Stück heranwagen.
7 km durch die Vororte von Burgos und durch die Stadt. Der Pilgerführer hat nicht zu viel versprochen. Der Teil des Weges ist wirklich nicht schön, es ist heiß, es riecht nach Stadt und es geht immer an der Straße entlang. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass diverse Pilger an der Bushaltestelle stehen, um sich die 2 Stunden zu ersparen. Irgendwie sind wir alle ziemlich genervt. Das ist nach einem stundenlangen Marsch durch die pralle Sonne auch nicht wirklich verwunder-lich. Sascha ist schlecht gelaunt, weil der Geldautomat rumzickt und nicht das tut was er soll, ihm Geld geben. Malte redet und redet und redet. Er kommt einfach nicht zum Ende und geht uns allen mächtig auf den Zwirn. Am Hostal angekommen können wir erstmal unser Zimmer bestaunen. Es hat nicht wie angekündigt ein Doppelbett und zwei Einzelbetten sondern 1 Einzelbett und 2 Pseudodoppelbetten. Naja, das reicht uns Pilgern allemal. Auch wenn heute sicher nicht der beste Tag ist um einander auf der Pelle zu hocken, sind wir froh heute nicht in einer Herberge unterkommen zu müssen. Denn dort wäre wie überall vermutlich Nachtruhe um 22 spätestens 23 Uhr angesagt und dann könnten wir das Champions League Finale vergessen. Bevor wir zu den anderen in die Stadt aufbrechen wird erstmal geduscht, was in dem kleinen Zimmer mit einer Dusche und 4 durchgeschwitzten und angespannten Pilgern einer Meisterleistung gleicht.
Danach machen wir uns endlich auf den Weg um Thomas, Vincent und die anderen Deutschen in der Bar "München" zu treffen und dem Camino-Koller zu entgehen. Camilla ist schnell weg, um sich etwas zu essen zu besorgen und Sascha und ich setzen uns auch gekonnt ab, um wenigstens mal ein paar Minuten unsere Ruhe vor unserer Labertasche Malte zu haben. Und wo geht das am besten?! In der Kathe-drale, denn Malte ist ein bekennender Nicht-Kirchenbetreter. Pünktlich zum Anpfiff sitzen wir aber wieder alle zusammen mit einem Weizen vor dem Fernseher. Vincent zu Liebe sind heute alle Bayern Fans. Er ist ein echter Hardcorefan und es würde ihm das Herz brechen und das Ende seines Urlaubs vermiesen, wenn die Bayern heute nicht gewinnen. Nach spannenden 88 Minuten fällt das entscheidende Tor und Vincent kann endlich jubeln. Natürlich begießen wir das Ergebnis stilecht mit Weißbier. Später wechseln wir in eine spanische Bar und trinken dort noch das ein oder andere Bierchen um erst um 2 Uhr nach einem tollen und ausgelassenen Abend Richtung Hotel aufzubrechen. Um unsere sturzbetrunkene Camilla machen wir uns ein bischen Sorgen.