Langsam, ganz langsam

Von Castrojeriz nach Fromista / 26,2 km

Heute Morgen war irgendwie klar Camilla geht mit uns los. Wir freuen uns beide sehr darüber. Sascha hatte gestern und vorgestern etwas Angst, dass sie doch die Schnauze von uns voll haben könnte. Aber das war wohl nur der Hangover nach der anstrengenden Nacht in Burgos. Heute geht's also wieder zu dritt los. Erst mal natürlich auf dem kürzesten Weg in eine Bar. Ohne Cafe geht gar nichts.

Danach schlendern wir gemütlich los Richtung Tafelberg, der ist etwas über 100 Höhenmeter hoch und ich schieße in meinem Bergauftempo los und erreiche nach wenigen Minuten den "Gipfel". Das war schnell, aber erstaunlicherweise gefallen mir die Bergaufstücke ohnehin am besten. Mit Camilla und Sascha geht es dann auch auf der anderen Seite des Berges direkt recht steil wieder runter. Nach einem langen flachen Stück durch die Felder erreichen wir das erste Dorf und bleiben selbstverständlich in der ersten Bar hängen. Heute tun mir die Füße wieder mal ganz schön weh und ich kann die Pause sehr gut gebrauchen. In der Herberge in Rabe de las Calzadas haben sich über Nacht meine Einlagesohlen verformt und die haben so für Blasen gesorgt. Damit muss ich jetzt leben, aber irgendwann haben sich die Blasen sicher erledigt und hoffentlich die Einlagen wieder in Form gebracht. Nach zwei Kaffees und einem Bocadillo kommt Sascha auch noch mit Bier um die Ecke. An sich noch ein bischen früh, aber wo es nun schonmal da ist...

Steinmännchen auf dem Tafelberg
Steinmännchen auf dem Tafelberg
Ein Blick zurück auf Castrojeriz
Ein Blick zurück auf Castrojeriz
Tafelberg"gipfel"
Tafelberg"gipfel"

Für die 8 Kilometer ins nächste Dorf, brauchen wir fast 3 Stunden. Es zieht sich durch triste Felder, es ist zu sonnig und noch dazu verdammt windig. Angekommen haben wir uns immer noch nicht entschieden, ob wir hier bleiben wollen oder ob wir noch weiter gehen. Wir sind heute noch nicht mal 20 Kilometer weit gekommen und der sportliche Ehrgeiz versucht uns weiter zu treiben, aber irgendwas schleift uns in die nächste Bar und drückt uns ein Bier in die Hand.

Sascha hat nur noch einen Tag und mittlerweile steht auch fest wo er einen geeigneten Bus zum Flughafen bekommt. Morgen abend muss er in Carrion de los Condes sein und fährt von dort über Burgos nach Santander. Also haben wir mal wieder alle Zeit der Welt. Bis Carrion de los Condes sind es nur noch 25 Kilometer, die wir morgen in gemütlichem Tempo problemlos schaffen würden. Wir blödeln in aller Ruhe in der Sonne rum, bis ein Taxi vorfährt um zwei Pilgerinnen einzusammeln. Laut Hörensagen ist die gute Herberge in diesem Ort mal wieder "completo" und die zweite in Frage kommende Herberge ein Drecksloch. Wenn das tatsächlich so sein sollte, können wir uns auch Zeit lassen und erst mal ein weiteres Bierchen trinken. Nach einer Ewigkeit raffen wir uns auf und schlurfen zur Herberge. Vielleicht ist ja doch noch etwas frei, bei dem Pilgergequatsche weiß man ja nie so genau. Und tatsächlich, wenige Minuten vorher wäre es überhaupt kein Problem gewesen und auch jetzt sind noch Matratzen frei. Aber leider nur noch zwei. Eine zu wenig für uns, also gucken wir uns die "Dreckslochherberge" an. Sie sieht eigentlich richtig gut aus. Schöner Innenhof mit Pool. Richtig nett, aber irgendwie ausgestorben. Von Drecksloch ist auf jeden Fall nichts zu erkennen, bis der Hospitalero auf uns zukommt. Der ist ziemlich verdreckt und ganz eindeutig nicht ganz bei der Sache. Er begrüßt uns mit einem laschen aber langen Händedruck, guckt jedem von uns in die Augen und begeleitet sein Prozedere mit einem sehr langgezogenem, völlig chilligen "Hiiiiiiiiiiiii!" Wenn der mal nicht total bekifft ist. Wir müssen uns das Lachen mit aller Gewalt verkneifen, gucken uns an und fest steht, hier bleiben wir auf keinen Fall. Der Typ ist einfach viel zu schräg. Allerdings ist er ohnehin nicht besonders scharf auf Gäste, denn er ist noch mit irgendwelchen Renovierungsarbeiten beschäftigt. Also müssen wir doch noch 6 Kilometer bis Fromista dranhängen. In unserem heutigen Tempo sind das circa 2 Stunden, die wir nahezu schweigend nebeneinander herlaufen.

5 Sterne-Dinner
5 Sterne-Dinner

In unserer Wahlherberge in Fromista sind noch genau 3 Betten frei. Super! Die Herberge ist schön, ordentlich, sauber und hat super Matratzen. Was will man mehr? Camilla und ich bekommen unsere Betten direkt an der Tür. Sascha seins in der hintersten Ecke. Nach dem obligatorischen Duschen gehen wir für unser Abendessen alles mögliche einkaufen und machen es uns mit Baguette, Käse, Chorizo, Thunfisch, Tomaten, Gurke, Joghurt, Oliven und und und gemütlich. Dazu trinken Sascha und ich eine Flasche Rotwein, schließlich ist es sein letzter Abend. Unser gemeinsamer letzter Abend...

Mal wieder sind wir die letzten die ins Bett gehen. Angetrunken wie wir sind ist das gar nicht so einfach ohne den ganzen Schlafsaal zu wecken. Das Zähneputzen endet in viel zu lautem Gelächter. Camilla und ich klettern leise in die Betten, nur Sascha stolpert auf dem Weg zu seinem Bett über alles mögliche und wird von einem energischen "Pssssst!!!" begleitet. Dieses mal sind also wir "die Deutschen", die unangenehm auffallen.