Die Nacht war schlimm. Um kurz vor 2 wurde ich mit mieser Übelkeit wach. War es der Wein oder die Chorizo. Egal aber mir wird dabei bewußt, dass es in so einem Fall logistisch gesehen gar nicht so gut ist oben zu schlafen. Mal eben leise zur Toilette stürmen, wäre bei diesen Betten definitiv nicht möglich. Aber das ist zum Glück auch nicht nötig, eine Vomex würde sicher schon reichen. Tja, nur wo ist die?! Die Tabletten liegen in einem Plastikbeutel im Kulturbeutel der widerum unter anderen Beuteln im Rucksack schlummert. Der Rucksack steht noch dazu in einem Schrank neben meinem Bett. Ich versuche so leise wie möglich von meinem Bett aus daran zukommen und scheitere. Der Versuch leise zu sein, endet im wiederholten Zufallen der Schranktür. Bevor nun der ganze Schlafsaal durch meinen Versuch leise zu sein wach wird, muss also doch die "große" Lösung ran. Aus dem Bett, einmal um das Bett herum und dabei über diverse Dinge stolpern, Schranktür auf, Rucksack raus, alles aus dem Rucksack wühlen, Vomex finden, alles in den Schrank stopfen, über diverse Dinge stolpern und wieder rein ins Bett...
Es quietscht jemand ein fröhliches "guten Morgen du Schlafmütze" in mein Gesicht.
Sascha ist schon wach und grinst mich gut gelaunt an. Das mir die Ehre zu Teil wird von Sascha geweckt zu werden ist bisher noch nicht passiert. An seinem letzten Tag will er also nochmal beweisen, dass er gar nicht so ein Langschläfer ist. Sein letzter Tag also! Den beginnen wir natürlich mit einem ordentlichen Frühstück. Ganz gemütlich. Es liegen heute nur 20km vor uns, die wir bis spätestens 17:40 Uhr geschafft haben müssen, denn dann fährt sein Bus in die aus meiner Sicht falsche Richtung.
Als wir Fromista mal wieder als Letzte verlassen, bläst uns ein ganz schöner Wind ins Gesicht. Ganz schön anstrengend so im Gegensturm, aber wir sind zügig und bringen die ersten Kilometer schnell hinter uns. Nach einer Wasserpause gehts schnell weriter auf die nächsten 6 Kilometer. Da Treffen wir auf eine Herberge mit Bar, die wir natürlich erstmal belagern. Ein Cafe ist nie falsch. Außerdem hat die Herberge einen Esel, der im Garten rumläuft. Allein das verpflichtet schon irgendwie zu einer Pause. Chillige Musik aus den 70er und 80ern gibt es noch dazu. Alles passt und so bleiben wir mal wieder länger als geplant. Aber wir kriegen uns doch noch irgendwie aufgerafft und ziehen weiter auf dem heute unspektakulären bis langeweiligem Weg.
Bei nächster Gelegenheit wird natürlich gleich wieder eingekehrt. Sascha möchte eine letzte Tortilla de Patata essen. Ganz frisch und ziemlich fettig aber saulecker. Zum Nachtisch gibt es noch ein Stück Käsekuchen, welches eher wie Creme Brulle am Stück schmeckt und einen ebenfalls nach mehr schreien läßt.
Danach geht es weiter auf die letzten 5 Kilometer des Tages. Die letzten 5 Kilometer zusammen mit Sascha also. Der absolviert sie wie im Sprint. Schließlich muss er nochmal zeigen wo der Hammer hängt.
Als wir bei der ersten Herberge vorstellig werden, ist die natürlich schon voll. Das ist bei unserem Pausenpensum aber auch kaum verwunderlich. Nehmen wir halt die nächste. Hier werden wir freundlich von Nonnen empfange und zwei Betten für Camilla und mich sind auch noch frei. Wir halten uns nicht lange auf, sondern gehen erstmal gucken, wann und wo der Bus denn nun fährt und setzten uns dort in eine Bar. Camilla wirkt total gestresst und haut plötzlich ab. 20 Minuten später kommt sie wieder und berichtet von einem Einzelzimmer, welches Sie für sich klar gemacht hat. Schon ist sie wieder weg, um ihre Sachen aus der Herberge zu holen. Wir gehen davon aus, dass sie wieder kommt, um Sascha Tschüß zu sagen aber sie scheint viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt zu sein. Mehr zufällig läuft sie nochmal an uns vorbei sagt aber nichtmal wirklich Tschüß. Komisch.
Sascha und ich warten gemeinsam auf den Bus, der auch pünktlich kommt. Leider. Den Südländern sagt man doch eine ausgeprägte Streikkultur zu. Warum nicht heute?! Warum ausgerechnet, wird dieser Bus heute nicht bestreikt?! Es ist wie es ist, Sascha muss nach Hause und der Bus wird ihn zum Flughafen bringen. So ein Ärger. Wir sagen uns schnell Tschüß, er springt in den Bus und ich guck traurig hinterher. Ein schneller schmerzhafter Abschied, des besten Caminobegleiters den ich jemals gehabt haben werde. Danke für die letzten 2 Wochen. Einen besseren Start und eine perfektere Begleitung hätte ich nicht haben können. Es hat vom ersten Hallo bis zum letzten Tschüß einfach alles gepasst.
Jetzt bin ich wieder alleine auf dem Camino unterwegs. So wie ich es von Anfang an vor hatte. Nur jetzt fühlt es sich völlig falsch an. Mal sehen wie die Saschalose Zeit so wird.
Gefühlt ziemlich einsam gehe ich mir was zu essen besorgen und einen neuen Hut. Ich lasse mir Zeit, denn ich weiß mit meiner Zeit ohnehin gerade nichts anzufangen.
Ich esse Joghurt und Obst, gehe duschen und gucke meinem Handy und meiner Kamera im Bad der Herberge beim Laden zu.
Ich entschließe mich doch noch dazu mich unter das deutsche Pilgervolk zu mischen und gehe zur Bar zurück. Dort sind Vater und Tochter aus Thüringen, denen sind wir schon öfter begegnet und drei andere Deutsche. Es wird belangloses lustiges Zeug gequatscht.
Schluß für heute. Ich gehe in die Herberge zurück und stelle mich auf eine unruhige Nacht ein. Schnarcher und Bettgequietsche vom Feinsten. Na dann gute Nacht.