Heute Morgen um 6:44 Uhr wach geworden. Noch niemand anderes hat sich gerührt. Ich dachte das unsinnige Packen geht schon um 5 Uhr los, zumindest waren so die Gerüchte, aber hier scheinen alle Langschläfer zu sein. Ich versuch mich noch ein bischen zu gedulden aber so richtig will mir das nicht gelingen. Also steh ich irgendwann mit nem schlechten Gewissen auf, denn dadurch wecke ich natürlich die anderen. Ich geh leise ins Bad und in den Aufenthaltsraum, um meine trocknenden Klamotten zu holen. Der Hospitalero ist auch schon ganz ungeduldig, denn das Frühstück steht schon auf dem Tisch und sicherlich will er uns gerne schnell wieder los werden. Sascha wird jetzt geweckt basta schließlich will er heute bis Pamplona.. Damit hat er sich ein verdammt straffes Programm vorgenommen. 36 Kilometer sind das. Ich hatte vorher angepeilt jeden Tag zwischen 20 und 25 Kilometer zu laufen. Aber der gestrige Tag mit 35 Kilometern lief super und so spricht eigentlich nichts gegen eine weitere lange Etappe. Also los ordentlich frühstücken! Leichter gesagt als getan. Das typisch spanische Frühstück, dass uns schon erwartet, besteht aus Instantkaffee, Zwieback und Keksen mit Butter und pinker Erdbeermarmelade.. Sehr, sehr lecker. :-( Immerhin bilden wir uns ei,n halbwegs satt zu sein und nachdem Sascha seine Klamotten noch eine Ewigkeit von einer auf die andere Heizung geräumt hat, in der Hoffnung sie könnten noch etwas trockener werden (hahaha – Baumwolle) kann‘s endlich losgehen.
Um neun sind wir aus der Herberge und stehen mitten im Pilgerstau. Die 7 Kilometer die wir gestern weiter gelaufen sind als die meisten anderen Pilger haben die schon lange wieder aufgeholt, denn wir sind für Caminoverhältnisse echt spät gestartet. Mit viel zu vielen anderen Pilgern geht es diverse Kilometer nach Zubiri. Auf dem Weg lernt Sascha Angie kennen, eine Deutsche Mitte 20 die scheinbar froh ist ihre Lebensgeschichte und körperlichen Leiden jemandem mitteilen zu können. Immerhin sind ihre physischen Probleme ganz interessant. Die Gute hat versucht die Route Napoleon über die Pyrenäen zu nehmen, obwohl diese gesperrt war. Das ist wohl ordentlich in die Hose gegangen. Denn das Dreiergrüppchen hat sich wegen des Wetters etwas verirrt und ist diverse Kilometer (laut Angies Aussage 15 Kilometer… Das wären bei schlechtem Wetter sicher 4 Stunden.. Wer es glaubt) in die falsche Richtung gegangen. Ziemlich erschöpft seien sie an einem Hof angekommen und hätten sich vom Besitzer wieder zurück nach Saint-Jean-Pied-de-Port fahren lassen. Und seitdem hätte sie so wahnsinnige Knieschmerzen, dass sie gar nicht mehr richtig die Hügel runterkäme. Und das an ihrem dritten Tag. Würde mich interessieren, ob sie es bis Santiago schafft. Mir ist das Gelaber aber schlichtweg zu viel und ich leg 'nen Zahn zu, um dem Ganzen zu entkommen.
Irgendwann treff ich auf 'ne Tussi aus Beckum. Cool denk ich mir, dann ist sie ja quasi ne Nachbarin von mir und es findet sich bestimmt etwas worüber man reden kann. Das findet sich auch, denn leider hat sie nur darauf gewartet endlich jemandem ihre Leidensgeschichte erzählen zu können. Oh man... Die nächste also.. Diverse Klamotten würde sie gerne nach Hause schicken. Aber mindestens einen Tag müsse sie sie ja noch durch die Gegend schleppen, denn in den kleinen spanischen Käffern gäbe es ja nirgendwo eine Post. Sie hat viel zu viel Zeug mit und das ist dann auch noch viel zu schwer. Ihr Schlafsack zum Beispiel... Aber die Leichteren waren ja alle so teuer. Meinen gut gemeinten Rat, es gäbe in Pamplona einen Decathlon der günstig Eigenmarken verkaufen würde, die nahezu alle Spanier benutzen würden, schmettert sie ab. Sie brauche Luxus und sie wäre ja keine Studentin mehr und müsse nicht sparen und so 'nen Billigkram würde sie sich nicht mehr antun. Ja 'ne ist klar, die ist sicher gut auf dem Camino aufgehoben. Auch hier hilfts ja nix.. Ich geb Gas, lass sie stehen und kann entkommen. Innerhalb eines Vormittags hab ich nun zwei Weiber kennengelernt, die genau die Art Leute verkörpern, die ich nicht leiden kann… Hoffentlich geht das nicht so weiter und es finden sich noch "normale" Leute in den nächsten Wochen...
Da ich Sascha schon ne ganze Weile nicht mehr gesehen habe, leg ich ein Päuschen ein und warte darauf, dass er mich einholt. Angie hat er immer noch im Schlepptau. Naja dagegen lässt sich wohl nichts machen. Zusammen gehen wir die Matschpiste runter nach Zubiri. Der Pilgerstrom hat hier ganz schöne Arbeit geleistet. Bei jedem Schritt müssen wir aufpassen, dass wir nicht ausrutschen. Glücklicherweise legt sich niemand von uns auf die Nase. Ständig regnet es und der Poncho ist schon ganz schöner Schrott aber Hauptsache der Rucksack bleibt trocken und das gelingt auch :-) In Zubiri höre ich plötzlich Angies Geweine gar nicht mehr. Weg ist sie.. Naja Tschüss sagen hätte sie schon können aber mir soll es recht sein. Die meisten Pilger machen in Zubiri für heute Ende. Sascha und ich entschließen uns schon allein wegen der Aussicht auf ein paar ruhige Kilometer ohne Pilgermassen auf jeden Fall bis Larrasoana weiter zu gehen und dort zu entscheiden, ob wir noch ein paar Kilometer machen oder ob wir uns mit der siffigen Herberge zufrieden geben wollen, die es dort geben soll. Auf dem Weg werden wir nochmal richtig nass aber es ist wirklich angenehm leer. Tausendmal schöner als mit 100 anderen um die beste Rennstrecke auf der Matschpiste kämpfen zu müssen.
In Larrasoana legen wir noch mal eine Pause ein und entscheiden dabei, dass wir weitere 11 Kilometer zur Klosterherberge Trinidad de Arre weiter gehen wollen. Der Reiseführer behauptet dort gäbe es nix zu essen also kaufen wir noch 'ne Kleinigkeit ein, um in der Herberge Nudeln kochen zu können. Und dann geht es endlich ohne einen weiteren Regentropfen und ohne Mitpilger auf die letzten Kilometer des Tages. Die ziehen sich gewaltig und ich bin froh als wir endlich die Herberge erreichen. Sascha geht es glaub ich nicht viel anders.
Wir klingeln an der Klostertür und wie in einem schlechten Horrorfilm schwingt wie von Geisterhand die große Doppelflügeltür auf. Der Klostermann, der so gar nichts von einem Mönch an sich hat bittet um unsere Pilgerausweise. Meiner, immer griffbereit in der Gürteltasche, liegt schnell auf dem Tisch. Sascha kramt erfolglos in seinem Rucksack rum, flucht und schimpft - ganz wie es sich in einem Kloster gehört. Hatten wir uns nicht erst darüber unteralten, was ist wenn man sein Credencial (Pilgerausweis) auf dem Weg verliert?! Erst nachdem seine Adiletten, seine Hosen, sein Pulli, sein Riesen-Frotteehandtuch und alles andere aus dem Rucksack auf den umherstehenden Stühlen rumliegt findet er endlich seinen Pilgerausweis wieder. Dann können wir ja doch noch unsere Betten zugewiesen bekommen. Glücklicherweise ist es schon recht spät und die Herberge schon gut gefüllt, sodass im großen Schlafraum kein Bett mehr frei ist und wir in ein Zimmer kommen, indem nur 8 Betten und nicht 24 Betten stehen. Sascha ärgert sich noch laut und ausgiebig über sich und seine Unordnung während er die 4 herumstehenden Stühle mit dem Inhalt seines Rucksacks versieht. Mal gucken ob er morgen alles wieder findet. Mich wundert nix mehr ;-) Schnell ab unter die Dusche und Nudeln kochen. Beim Essen planen wir etwas den nächsten Tag und werden dabei erstmal zurecht gewiesen es wäre doch schon 20 Uhr und alle Leute wollen schlafen, wir wären viel zu laut, ob es denn unser erster Tag wäre. Oh je oh je, wie können wir uns nur so tadelhaft verhalten. Um 20 Uhr schon die Klappe halten zu müssen, daran muss ich mich wohl erst noch gewöhnen. Wir versuchen so leise wie möglich zu reden, zu essen, zu planen und Tee zu trinken, aber die überlaute Klospülung die nur durch Pappwände vom Schlafraum getrennt ist und die nahezu minütlich betätigt wird, können auch wir nicht leiser machen. So leise es nur geht bahnen wir uns den Weg ins Bett. Natürlich mit Zwischenstopp im Badezimmer. Die Klospülung betätigen wir beide gleich mehrmals.. Absichtlich!
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