Heute ist also der erste Tag an dem ich richtig alleine laufe. Früh geht's los, denn bei der Herberge ist um acht Uhr Rausschmiss angesagt. Um 7:40 steh ich draußen und mach die ersten Schritte. Im Reiseführer steht was von Rennstrecke. Eine echt gut ausgebaute Pilger-autobahn und dann auch noch ohne Regen, ohne Schlamm und ohne Menschen. Endlich Sonnenschein. So muss das sein. Naja fast, denn hinter mir läuft ein laut laberndes Dreiergespann. Natürlich Deutsche, die anscheinend der ganzen Welt ihre Geschichte erzählen wollen. Kurioserweise scheinen vorallem die Deutschen das Bedürfnis zu haben, sich immer jedem mitteilen zu wollen. Aber des kenn ich ja nun schon.
Es läuft sich äußerst gut und so bin ich in gerade mal 2,5 Stunden schon 13 km weit gelaufen, und komme pünktlich zum Kaffeedurst in Los Arcos an. Nach ‘nem Cafe con Leche und ‘ner Tortilla de Patatas geht's auch gleich weiter. Ich bin froh, dass ich die deutschen Laberköppe mittlerweile los bin.
Da wir erst 10 Uhr haben und ich schon ‘nen beträchtlichen Teil der Strecke die ich für heute angepeilt hatte zurückgelegt hab versuch ich mich zu zügeln. Das gelingt allerdings nicht besonders gut, irgendwie ist langsam laufen nicht so meine Stärke und schon gar nicht alleine. Grundsätzlich ist es ja sehr schön, dass heute nicht viele Pilger auf der Strecke zu finden sind und ich nicht so einem Pulk hinterher renne. Aber mir fehlt die Unterhaltung. Ganz ehrlich, mir fehlt Sascha.
Zwei Stunden später bin ich in Torres del Rio und hätte gerne 'nen Cafe, es gibt aber keinen. Also gehts nach kurzer Stippvisite gleich weiter auf die letzten 11 Kilometer nach Viana. Die ziehen sich. Meine Füße fangen zwischendurch an weh zu tun, schrecklich weh. Eine Pause mehr wäre sicher richtig gewesen. Würde ich noch zusammen mit Sascha laufen, hätten meine Füße die nötige Pause sicher bekommen. Naja, ankommen ist jetzt das Ziel. Viana ist schon zu sehen und nur noch zwei Kilometer entfernt aber trotzdem muss ich meinen Füßen erstmal ein paar Minuten Erholung gönnen. Ich habe das Gefühl als würde sich der Tag ansonsten bitter rächen. Nach einer Weile kann ich mich wieder aufraffen und schaff es sogar heile in Viana anzukommen. Fast 32 Kilometer in 6 3/4 Stunden. Ziemlich schnell. Ja fast schon zu schnell.
Nun geht’s auf zur Herberge. Die kirchliche auf Spendenbasis macht laut Reiseführer erst im Juni auf. Also ab zur Municipal mit dreistöckigen Betten. Und wen treff‘ ich da, die beiden Koreaner. Sie sind schon wieder etwas über-rascht mich hier zu treffen. Und vor allem so früh. Das heißt ich hab ‘ne echt gute Zeit hingelegt. Ich bekomme ein Bett in der Mitte das lässt sich ja noch aushalten. Aber irgendwie stinkt es hier nach Chemie und eigentlich gefällt es mir nicht so richtig. Die Herberge ist so groß, dass alles schrecklich unpersönlich wirkt. Naja erst mal duschen. Super Sache wenn man unter der Dusche steht und merkt das man das Handtuch vergessen hat. Gut dass die lange Unterwäsche noch im Wäschebeutel ist, damit wird man immerhin trocken. Nach dem Drama nutze ich noch ein bißchen das WiFi. Dann mach‘ ich ‘nen kleinen Rundgang durch den Ort und beiße mir natürlich in den Hintern, denn die kirchliche Herberge hat doch schon geöffnet. Also rein da und um ‘nen Platz betteln und siehe da es gibt auch noch einen sogar mit Abendessen und Frühstück for Free bzw. gegen ne kleine Spende. Auf jeden Fall billiger als noch irgendwo was kaufen zu müssen. Der Hospitalero ist ein bischen verwirrt, warum ich denn nun ein Bett bräuchte, denn ich hätte doch schon eins. Aber mit der Begründung, dass die Betten dort dreistöckig seien läßt er sich schnell überreden, meinem Umzug zuzustimmen. Die Herberge nimmt nur 15 Personen auf, die auch gemeinsam essen.
Zum Schlafen liegen 15 etwas dickere Gymnastikmatten auf dem Boden. Hart aber herzlich trifft es in diesem Fall ziemlich gut. Bei meiner Bitte um ein Bett hat mich ein anderer Deutscher belauscht, der sich auch direkt mal vorstellen kommt. Er hat sich ein Jahr freigenommen und radelt durch die Welt. Mittlerweile ist er auf dem Rückweg nach Deutschland. Patrick ist ne echt coole Sau, der eine Menge zu erzählen hat.
Ein Italiener ist auch noch da, bei dem dachte ich erst, es wäre ein Volunteer, denn er half bei meiner Ankunft ganz emsig beim Übersetzen. Aber es ist Marco aus Italien der eigentlich gar kein Englisch und auch kein Spanisch kann. dafür hat er ziemlich gut übersetzt ;-) Er hat Probleme mit den Knien und sich anscheinend anfangs etwas überschätzt. aber er schlägt sich scheinbar tapfer und will Morgen weiterlaufen, wenn auch nur ein kleines Stück. Zum Essen gibt‘s ‘nen kleinen Salat und Suppe mit Kartoffeln und Chorizo. sieht nach nix aus aber schmeckt sehr lecker. Marco macht sich als Service Personal bezahlt und alle werden satt. Danach wird gemeinsam aufgeräumt und wir unterhalten uns noch etwas nach Camino-Smalltalk-Manier. Where are you from, when did you start, where did you start and so on. Danach geht’s auf die Matratze in den viel zu heißen Schlafraum auf den viel zu harten Boden neben den viel zu lauten Schnarcher. Oh man, aber vermutlich schlaf ich trotzdem ganz gut. Sascha hätte es hier gefallen, davon bin ich felsenfest überzeugt. Die Herberge wäre genau nach seinem Geschmack gewesen. Alleine weiter zu gehen war ein wirklicher Fehler. Schade, dass er mich auf dem heutigen Weg nicht eingeholt hat. Vielleicht morgen und dann gehts definitiv zusammen weiter!
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