Auch das Frühstück wird in dieser familiären Herberge natürlich zusammen ge-gessen. Ich unterhalte mich super mit zwei ameri-kanischen Mädels. Wir trödeln ganz schön rum und verlassen letztendlich fast als Letzte zusammen die Herberge. Die beiden wollen es heute ganz langsam angehen lassen und ich überlege das es ja für Sascha die Möglichkeit wäre mich endlich mal wieder einzuholen. Also schlendere ich mit den beiden gemütlich Richtung Logrono. Dabei überqueren wir die Grenze zwischen Navarra und La Rioja. Mittlerweile bin ich schon fast 170 Kilometer unterwegs. In Logrono angekommen gönnen wir uns erstmal einen Kaffee. Danach wollen die beiden Mädels mal kurz in einen Laden den wir vor unserem Kaffee entdeckt hatten. Ich entschließe mich bei dem kurzen Unterfangen Botas zu kaufen mitzugehen und mich danach von den beiden zu trennen, um wieder etwas mehr Fahrt aufzunehmen. Eine Bota de Vino ist ein Trinkbeutel aus Leder der typisch spanisch ist and „The american loooove typical spanish stuff“. Aus dem „mal eben eine Bota kaufen“ werden gleich zwei Stunden. Der Laden ist ein echter Glücksgriff. Es handelt sich um einen echten Handwerksbetrieb und so zeigen uns der Besitzer Felix und sein Sohn erstmal was überhaupt eine Bota ist und auch wie sie hergestellt wird. Eine der beiden Amerikanerinnen sucht sich eine schlichte Bota mit Stempel aus. Als Felix dann einen Edding rausholt und den „Stempel“ mal eben gekonnt so auf die Bota zeichnet gucken wir nicht schlecht. Neben Botas gibt es auch noch Teppiche. Fell-Patchwork quasi. Wir begucken uns alles und die Mädels kommentieren jedes einzelne Stück mit einem gequietschten „pretty“, „crazy“ oder „awesome“. Die Teppiche sind so schön, dass wir aus dem kurzen Botastopp nen Großeinkauf machen. Ich möchte auch einen kaufen aber da ich heute noch weiter will und keine Zeit habe zur Post zu gehen um ein Päckchen wegzuschicken und nicht wirklich die Muße habe einen Teppich bis Santiago zu tragen handel ich mit Felix aus, dass er mir eine Maßanfertigung nach meinen Wünschen zu mir nach Hause schickt sobald ich wieder in Deutschland bin. Ich bezahle mit Kreditkarte einen kleinen dreistelligen Betrag, bekomme eine handschriftliche Bestätigung das ich irgendetwas gekauft habe und eine Visitenkarte des Ladens und denke mir nach dem Tschüß sagen dass ich mein Geld vermutlich nie wieder sehe und schon gar kein Teppich in Deutschland auf mich warten wird. Naja sei es drum..
Mittlerweile ist es schon 12:15 und eigentlich wollte ich schon 10 Kilometer weiter sein. Jetzt kommt es natürlich nicht mehr so wirklich drauf an und ich suche mit den beiden Mädels noch nach einer Herberge. Für die Amerikanerinnen ist der Tag also zu Ende und sie versuchen mich zu überreden auch in Logrono zu bleiben, um am nächsten Tag zusammen weiterzugehen. Ne, das kommt für mich nicht in Frage. Ich will Sascha wiederfinden und ich wette er ist direkt an uns vorbeigelaufen während wir lustig Botas und Teppiche kaufen waren. Also muss ich nun vermutlich ihm hinterherlaufen. Ich entscheide mich für eine noch circa 20 Kilometer entfernte sehr gelobte private Herberge und da klar ist, dass ich dort erst spät ankommen werde gehe ich auf Nummer sicher und mache eine Reservierung. Und so geht es für mich wieder raus aus Logrono. Schade das ich die Mädels wohl nicht wieder zu Gesicht bekommen werde, der Tag mit den Beiden war schon sehr sehr lustig.
Man ist ja nie wirklich alleine auf dem Weg und so treffe ich direkt eine andere Pilgerin die wie ich Ausschau nach den gut versteckten gelben Pfeilen hält. Die drahtige Irin redet nicht viel aber ich bekomme ihre Erlaubnis sie ein Stück zu begleiten, wenn ich denn mithalten könnte. Hmm, anscheinend hält sie mich nicht für besonders sportlich und glaubt ich könnte nicht Schritt halten. Eigentlich kommt sie mir aber ziemlich langsam vor. Die ganze Person ansich animiert mich irgendwie dazu deutlich das Tempo anzuziehen und mich von ihr abzusetzen. Es geht diverse unspektakuläre Kilometer durch den Nieselregen nach Navarette. Dort mache ich eine kurze Pause und begucke ich mir die Kirche in der Hoffnung Sascha könnte auftauchen, denn der ist bestimmt hier in diesem kleinen Dörfchen gelandet. Der goldene Altarraum der Kirche läßt sich mit einem Euro in ein beleuchtetes Glitzerwunder ver-wandeln. Leider fehlt mir das Eurostück. Es finden sich zum Glück aber andere deutsche Pilger in Spendierlaune. Ganz schön beeindruckend das ganze Geglitzer. Sascha scheint besseres zu tun zu haben als mir hier über den Weg zu laufen, also geht’s weiter auf die letzten 7 Kilometer nach Ventosa. Auch das Stück zieht sich und überzeugt durch mehrere Kilometer neben der Autobahn nicht von der nordspanischen Landschaft. Zudem ist es hier mittlerweile völlig ausgestorben und mein Fuß tut schon wieder höllisch weh. Auf den letzten vier Kilometern glaub ich überhaupt nicht mehr vorwärts zu kommen. Ständig zwingen mich meine Füße stehen zu bleiben. Nicht das ich Blasen hätte, davon bin ich bisher verschont geblieben, aber trotzdem fühlen sich die Füße an als würden sie jeden Moment abfallen.
Alles in allem bin ich froh als ich endlich in der Herberge stehe. Allerdings finde ich die Begrüßung nicht gerade prickelnd. „Completo“ Ähm ja aber haben die meine Reservierung etwa verschlampt? Zum Glück handelt es sich um ein Missverständnis, mein Name wurde bei dem Telefonat scheinbar neu erfunden. Aber wir sind uns einig, dass das allerletzte noch nicht besetzte Bett für mich reserviert ist. Glück gehabt, denn bis zur nächsten Herberge wären es noch 10 Kilometer gewesen. Die hätte ich heute mit meinem Fuß niemals geschafft. Bei einem Blick in die Küche sehe ich mal wieder bekannte Gesichter. Die koreanischen Mitstreiter sind wieder mit von der Partie. Heute kreuzen sich unsere Wege wohl das letzte mal. Sie wollen morgen 36 Kilometer gehen. Ich werde sinnvollerweise aber nur 20 Kilometer anpeilen. Meine Füße brauchen dringend mal einen ruhigen Tag. Als ich den beiden Koreanern etwas von Malte erzähle wissen sie sofort wen ich meine. Es sind so viele Pilger auf dem Weg, komischer Zufall das sie ausgerechnet Malte kennen. Aber so erfahre ich endlich mal wieder was von ihm. Sie sehen ihn wohl öfters und er scheint immer einen Ort vor uns zu sein. Er startet spät geht dafür aber bis abends und gönnt sich Übernachtungen im Hotel. Ich hätte gar nicht gedacht das er so gut vorankommt. Mal sehen ob ich ihn noch mal zu Gesicht bekomme oder ob er vor mir bleibt. Die Koreaner sind übrigens schon über 60 und dieses Jahr auf ihrem vierten Camino unterwegs. Das Alter sieht man den beiden wirklich nicht an.
Während ich mir Nudeln koche bekomme ich Gesellschaft von einem lustigen Dreiergespann. Eine Deutsche, eine Amerikanerin und ein Russe. Sie sind super gut drauf und kochen wild gestikulierend und laut lachend ein „crazy russian risotto“. Riecht sehr lecker und schmeckt sogar. Es gesellen sich noch mehr zu der lustigen Runde. Eine Amerikanerin und ihre südafrikanische Freundin mit ihrem deutschen Mann. Sehr lustig wenn eine Afrikanerin plötzlich anfängt zu schwäbeln. Nach einer ausfürhlichen Unterhaltung über die politischen Probleme Südafrikas ist dann doch irgendwann Bettruhe angesagt. Nur das Risotto-Dreiergespann hält sich nicht so richtig daran und hält mit lautem Gelache alle vom Schlafen ab. Die Betten hier sind der reine Luxus. Richtig gute Matratzen. Nur das Geschnarche des Iren neben mir nervt ein klitzekleines bißchen.