Da Sascha ja nun schonmal wieder aufgetaucht ist, ist auch selbst-verständlich, dass wir wieder zusammen losgehen. Und weil sich Camilla gestern als hervorragende Begleitung bewiesen hat, nehmen wir sie gleich mit. Malte möchte wie immer lieber alleine laufen. Wir starten also im Dreiergespann und legen eine Wahnsinnsstrecke von 50 Metern zurück, um erstmal Pause zu machen. Frühstück! Ganz langsam und gemütlich latschen wir die ersten 6 Kilometer und stoppen nach 1,5 Stunden direkt wieder für nen cafe con leche. So richtig in die Gänge wollen wir heute irgendwie nicht kommen. Aber das nächste Ziel ist ohnehin klar. Samstag wollen wir früh genug in Burgos ankommen, um das Champions Leauge Finale anzugucken. Borussia Dortmund gegen Bayern München, ein deutsches Finale wollen selbst wir Fußballmuffel nicht verpassen. Die deutschen Mitpilger, die ich in den letzten Tagen getroffen habe, haben nahezu alle das selbe Vorhaben. Bis Burgos sind es noch circa 75 Kilometer für die wir ganze drei Tage Zeit haben. Das heißt wir können uns drei richtig gemütliche Tage machen.
Sascha, der in den ersten Tagen immer wieder betont hat, wie schlecht doch sein Englisch wäre quatscht die ganze Zeit fröhlich mit Camilla. Ich weiß gar nicht was er hat, ich springe immer mal wieder ein und helfe bei dem einen oder anderen Wort aus aber sein Englisch ist lange nicht so schlecht wie er glaubt, Camilla versteht ihn zumindest.
Heute will sich der Weg so richtig hinziehen. Das ist ja jeden Tag immer mal wieder so. Zumindest die letzten 5 Kilometer sind immer unendlich lang. Aber heute fühlt sich der ganze Tag so an. Es ist kühl und wir sind sehr langsam unterwegs und werden daher auch gar nicht so richtg warm. Meine Füße schmerzen vor sich hin und alles wirkt trist und langweilig. Andererseits hatten wir natürlich gestern auch alle einen wirklich anstrengenden Tag und sind auch alle nicht wirklich ausgeruht. Wir machen in so einer Art Raststätte an der Landstraße mal wieder einen Stopp an einer Bar für einen Cafe con leche und ein Stück Tortilla de Patatas. Camilla unterhält sich super mit dem Besitzer und es ist echt schade das mein Spanisch nicht ausreicht um dem Ganzen zu folgen, immerhin höre ich heraus, dass sie sich über Thunfisch unterhalten. Interessantes Gesprächsthema.
Bevor wir weitergehen, stehen wir noch ein paar Minuten draußen, damit Camilla eine Zigarette rauchen kann. Sascha und ich beschäftigen uns währenddessen mit einem Hund der draußen warten muss. Wir versuchen den Namen zu erraten aber die Hündin reagiert auf so gar keinen Vorschlag, bis Sascha dann Kira vorschlägt. Da spitzt sie die Ohren aber das war es dann auch schon. Sie ist aber hocherfreut, dass wir uns wenigstens mit ihr beschäftigen. Frauchen und Herrchen kommen kurze Zeit später dazu und können das Hundenamengeheimnis lösen. Sira, nicht Kira. Hund und Anhang kommen auch aus Deutschland und alles scheint soweit super zu klappen. Obwohl Hunde in den Herbergen quasi nie erlaubt sind, scheint sich fast immer eine ordentliche Übernachtungsmöglichkeit aufzutun. Und für den Fall das dem nicht so ist, haben die drei ein Zelt dabei. Wir sind so in unser deutsches Gequatsche vertieft, dass uns irgendwann auffällt, dass Camilla schon vorgegangen sein muss. Also preschen wir hinterher aber bis Belorado, wo sie diese Nacht bleiben wollte, holen wir sie nicht mehr ein. Schade, aber spätestens in Burgos werden wir sie wiedersehen. Bevor wir Belorado wieder verlassen machen wir noch einen Abstecher zur Kirche. Schon heute morgen sind uns die ganzen Storchennester aufgefallen aber die kleine Kirche von Belorado ist mit insgesamt sechs Nestern völlig überbevölkert. Sascha und ich machen uns auf die letzten 5 Kilometer des Tages, die sich wieder mal anfühlen wie 100. Nach ganzen zwei Kilometern legen wir schon wieder eine Pause ein und essen erstmal in Ruhe Oliven, Chorizo und Baguette auf einer Parkbank.
In Tosantos soll es eine kirchliche Herbgerge auf Spendenbasis geben, die sich "ganz dem Geist von Granon verschrieben hat", so behauptet der Pilger-führer. Und da wir Granon nunmal beide ausgelassen haben, wollen wir wenigs-tens den "Geist von Granon" in Tosantos er-leben ;-) Die Hospitaleros wirken auf den ersten Blick eher nicht sonderlich ver-trauenswürdig werden aber mit jedem Wort was sie sagen freundlicher. Leider sprechen sie nicht so viel. Zwei der drei haben Fußballtrikots an, daher versucht Sascha die Stimmung mit ein paar unqualifizierten Fußball-kommentaren zu heben. Das das in die Hose geht ist irgendwie selbstverständlich. In der Nähe des Dorfes gibt es eine kleine Kapelle, die in den Fels hinein gebaut ist und auf die die Bewohner sehr stolz zu sein scheinen. Es geht extra eine alte Spanierin aus dem Dorf mit uns und den anderen Pilgern dorthin und zeigt sie uns. Da Sascha kein Spanisch kann, übersetze ich ihm Bruchstückhaft das was ich glaube verstanden zu haben und da die Amerikaner die Spanierin auch nicht wirklich verstehen, versuche ich das wenige Verstandene auch noch ins Englische zu übersetzen. Das war ein Griff ins Klo, denn die Spanierin ist begeistert und glaubt ich würde als Dolmetscherin taugen. Ja ne ist klar. Von den Dingen die sie erzählt verstehe ich maximal ein Fünftel und daraus soll ich auch noch englische Sätze formen die jemand versteht?! Wir behelfen uns irgendwie mit Händen und Füßen und am Ende sind wir zumindest alle schlauer als vorher.
Nach der Besichtigung der kleinen Kapelle (Ermita de la Virgen de la Pena = Kapelle unserer Jungfrau des Felses, oder so ähnlich) gibt es endlich was zu essen. Nudeln und Salat. Sascha, der sich mit seinen Fußballkommentaren anfangs eher unbeliet gemacht hat, versucht es jetzt wieder rauszureissen und das gelingt ihm auch. Die Spanier sind verdammt stolz auf ihre Mannschaft und wenn man die richtigen Fragen stellt dann blühen sie nur so auf.
Nach dem Essen wird noch ein Abendgebet angeboten in einem dafür hergerichteten Gebetsraum. Das Ganze wirkt anfangs etwas befremdlich aber etwas Abendunterhaltung hat noch nie geschadet und so machen wir gerne mit. Die Hospitaleros haben sich eine richtige Zeremonie ausgedacht. Zuerst wird eine Schweigeminute abgehalten, dann liest jeder in seiner Sprache ein Teil eines Gebetes vor. Eine wirklich schöne Idee, denn heute kommen Spanisch, Italiensch, Deutsch, Holländisch, Englisch und Japanisch zusammen.. Zum Abschluß liest jeder einen Zettel in seiner Sprache vor auf dem ein früherer Gast seine Wünsche oder Ideen zum Camino verewigt hat. Natürlich kann jeder von uns der will auch so einen Zettel schreiben. Dieser würde dann in den nächsten Wochen irgendwann vorgelesen und im August bei einem Fest in der Felsenkirche werden alle vorgelesenen Zettel verbrannt.
Die Herberge ist heute nicht sonderlich voll und so können wir aus den vorhandenen Gymnastik-matten halbwegs bequeme Gymnastikmattentürme bauen und haben eine ziemlich ruhige Nacht.